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chenden jungen Amerikaner, gleich so vielen Andern, freundlichst bei sich und in Abbotsford aufnahm.

Als Ticknor Amerika verließ, hatte er die Absicht, auch Griechenland und Kleinasien zu besuchen, aber schon im Sommer 1817, wenige Monate nachdem er Göttingen verlassen, traf ihn in Paris die Berufung zu dem in Cambridge, durch Stiftung des Hrn. Smith zu diesem Zwecke eben errichteten Lehrstuhle der schönen Wissenschaften. In Folge der Annahme dieser Professur mit der Vergünstigung, in dem nur eine kleine deutsche Meile von Cambridge gelegenen Boston wohnen zu dürfen '), erlitten Zidnor's Reiseentwürfe einige Aenderung. Den Winter 1817-18 brachte er, wie er es beabsichtigt hatte, in Italien zu, statt aber von dort nach Griechenland und Kleinasien zu gehen, besuchte er Spanien und Portugal, langte mit Ende 1818 in England an, und kehrte von dort, nach einer vierjährigen Abwesenheit, im Sommer 1819 nach Boston zurück.

In der Heimat angelangt, wurden sogleich die Pflichten des neuen Lehrstuhles der schönen Wissenschaften in Cambridge übernommen und 16 Jahre lang, bis zum Frühlinge 1835, treu erfüllt. Während der ersten Jahre dieses Zeitraumes hielt der junge Professor von ihm entworfene und ausgearbeitete Vorlesungen über französische und spanische Literatur, worin allein die ihm auferlegten Pflichten des Lehrstuhles bestanden. Allmälig erweiterten sich jedoch seine Bemühungen. Auf seinen Antrag wurden auch Lehrer des Italienischen und Deutschen, vier an der Zahl, angestellt, deren Unterricht er sorgfältig beaufsichtigte und leitete, und viele Zeit auf den Erfolg dieser ganz neuen Einrichtung verwendete. Außerdem hielt er auch noch, neben den französischen und spanischen, andere Vorlesungen über Abschnitte und Theile der englischen Literatur, sowie der italienischen und deutschen, insbesondere über Goethe und Dante. In allen Dingen von Bedeutung richtete Ticknor sein Lehrgebiet ganz wie auf einer deutschen Universität ein. Die Wahl dieser Vorträge wurde den Studirenden freigestellt, und nur bei dem die Vorbereitung zur Literatur bildenden Unterrichte in fremden Sprachen, sobald sie eine von diesen Sprachen gewählt, und ihn be

1) Dieses 1817 erfolgte Zugeständniß zog 1819 Ticknor's seitdem in Boston genommenen Wohnsig nach sich, dem dort später, 1821, seine beglückte Verlobung und Verheirathung gefolgt ist.

gonnen hatten, dessen fortgesetter Besuch gefodert, und ein gewisser Fortschritt zur Pflicht gemacht, ehe es den Lernenden gestattet wurde, zu einer andern Sprache überzugehen.

Im Frühling 1835 sah sich Ticknor durch die geschwächte Gesundheit seiner geliebten Gattin veranlaßt, seinem so schön und musterhaft ausgebildeten Amte zu entsagen, und zur Herstellung derselben mit ihr und seinen beiden Kindern nach Europa zu gehen. Er schiffte sich im Juni 1835 in Newyork mit den Seinigen nach England ein, wo er mit diesen etwas über drei Jahre, ebenso nüßlich als angenehm, in England, Deutschland, Frankreich, der Schweiz und Italien, im Umgange mit den Hervorragendsten jedes Standes und Berufes zubrachte. Dann aber kehrte er, da der eigentliche Zweck seiner Reise glücklich erreicht war, in die Heimat zurück. Seitdem hat nun der Verfasser dieser Geschichte, im Besite einer auserlesenen Sammlung der seltensten schönwissenschaftlichen Werke, unter denen die spanischen Bücher und Handschriften fast 2000 Bände ausmachen, diesen Studien gelebt. Alle wichtigen Ergebnisse derselben finden sich in den beiden, hier dem deutschen Leser gebotenen Bänden, die mit gänzlicher Beiseitelegung seiner von 1822-23 entworfenen und dann in Cambridge gehaltenen Vorlesungen über spanische Literatur, nach horazischer Vorschrift, in den zehn Jahren 1840–49 niedergeschrieben, gefeilt und schließlich zum Druck befördert wurden.

Die ergiebigsten Quellen, aus denen annoch die gegenwärtige deutsche Ausgabe der Geschichte der schönen Literatur in Spanien etwas vermehrt zu werden vermochte, find folgende.

Zuvörderst seit Erscheinung der englischen Urschrift, die Hersendungen einer ununterbrochenen Reihe von größeren und kleineren Zusäßen und Verbesserungen des Verfassers an den Herausgeber, um das Werk so vollkommen als möglich in Deutschland erscheinen zu machen. Ich hebe hier aus diesen zahlreichen Zusäßen nur die Erweiterung und Neugestaltung der Darstellung des großen Dichters Luis de Leon besonders heraus.

Demnächst sind (weil der deutsche Druck bereits zu weit vorgeschritten war, für die zwölfte Beilage im Anhange) auch der erste und zweite Band der auf vier Bände berechneten spanischen Uebersehung') für diese Uebertragung sorgfältig und voll

1) Historia de la Literatura española, por M. G. Ticknor, traducida al castellano con adiciones y notas críticas, por D. Pascual de Goyargos, in

ständig benutt worden. Es enthalten nämlich diese beiden spani-
schen Bände, deren Inhalt genau dem unsers ersten Bandes ent-
spricht, auf 167 Detavseiten, sehr schäßbare und werthvolle Zu-
sähe der madrider Herausgeber, welche der deutsche Leser nun
sämmtlich, sowol in der gedachten zwölften Beilage, als auch
in der vierten über die Liederbücher der Spanier wiederfindet.

Ferner die Zurathezichung zweier wichtiger, gleichzeitig mit der
Ticknor'schen Geschichte in Europa erschienenen Werke. Das eine
in Spanien, Don Agustin Duran's neue, gänzlich umgearbeitete
Ausgabe seines in zwei starken Bänden ans Licht tretenden Allge-
meinen Romanzenbuches'), der ich unter Anderm meinen Zusat
zur ersten Beilage des Anhanges über die bisher diesseits der
Pyrenäen kaum gekannte asturische Mundart und Dichtung
entnommen habe. In Holland aber, des gelehrten Kenners des
Arabischen, Hrn. Dozy, neuestes Werk2), welches aus ganz unver-
dächtigen, fast gleichzeitigen arabischen Schriftstellern die vollste Be-
stätigung der spanischen Sagen, Chroniken in gebundener und unge=
bundener Rede, der Romanzen und des Heldengedichtes vom Cid
und dessen Thaten mit sich bringt.

Dann nicht allein die Benutzung des äußerst wichtigen, gegen
Ende vorigen Jahres gedruckt erschienenen neuen Werkes des Hrn.
Ferdinand Wolf in Wien, über eine von ihm in Prag gefundene
Sammlung altspanischer Romanzen auf Fliegenden Blättern, nebst
völliger Aufklärung und Feststellung des bisher mehr vermutheten
als gewußten Verhältnisses, der ersten in Spanien und in Antwer
pen gedruckten Romanzenbücher, nach genauen Forschungen Desselben
über deren Sammlungen im Britischen Museum '); sondern auch die

dividuo de la Real Academia de la Historia, y D. Enrique de Vedia (Ma-
drid 1851-52), Th. 1, u. 2.

1) Romancero General o Coleccion de Romances Castellanos anterio-
res al Siglo XVIII., recogidos, ordenados, clasificados y anotados por
Don Agustin Duran (Madrid 1849-51), Th. 1.

2) Recherches sur l'Histoire politique et littéraire de l'Espagne pen-
dant le Moyen Age, par R. P. A. Dozy (Leyden 1849), Th. 1, über den
Cid, S. 320-706.

3) Ferdinand Wolf, Ueber die Sammlung spanischer Romanzen in
fliegenden Blättern auf der Universitätsbibliothek zu Prag. Nebst einem Anhang
über die beiden für die ältesten geltenden Ausgaben des Cancionero de roman-
ces (Wien 1850, 4.)

schönste Erfüllung der freundlichst von diesem Gelehrten verheißenen Unterstüßung meiner Arbeit durch zahlreiche Zusäße zum Werke selbst, wie durch zwei, die dritte und die vierte Beilage im Anhange füllende Abhandlungen über die Romanzenpoesie und über die Liederbücher (Cancioneros) der Spanier. Alle in den ebengedachten Zusäßen enthaltene Bemerkungen find sorgfältig mit den Anfangsbuchstaben des Namens ihres Urhebers (F. W.) bezeichnet worden.

Endlich vom Herausgeber selbst, nächst dem bereits Erwähnten, in der elften Beilage, eine bisher mangelnde literarische Lebensnachricht über unsern, lange in Spanien lebenden deutschen Landsmann Böhl von Faber, den ersten Mahner und weckenden Urheber des dortigen neuesten Wiederauflebens volksthümlicher Dichtungen. Desgleichen eine, hoffentlich nicht allzu groß gefundene Zahl kleinerer Zusäße aus älteren und ganz neuen Sammlungen und Studien, deren Verantwortlichkeit, im Terte durch Klammern und in den Anmerkungen durch Beifügung des Anfangsbuchstabens des Urhebers (I.), ich auf mich zu nehmen für geziemend erachtet habe1). Denn gegensäglich zu der, die vor einem Jahrhunderte (1754) erschienene Velazquez'sche Arbeit fast ersäufenden, aber auch ergänzenden Anmerkungen und Zusäßen des fleißigen Dieze2), bin ich glücklicherweise im Stande gewesen, die meinigen nur sparsam und gedrängt beifügen zu dürfen. Bei den vieljährigen umfangreichen und gründlichsten Studien, und den sehr reichen Hülfsmitteln des Verfassers dieser Geschichte über alle schöne Literaturen, und insbesondere über die spanische war es naturgemäß, daß der literarische, als der Hauptbestandtheil des Werkes, eine der Vollständigkeit nahe kommende Genauigkeit darbieten mußte. Das sehr wenige hier Nachzutragende bildet fast allein meine durchaus anspruchlosen Zusäße, weil es für die in diesem Buche zu schöpfende Kenntniß wol überflüssig gewesen wäre, abweichende Geschmacksansicht, oder den Bildungsgang des spanischen Volkes angehende Bemerkungen, die ihren tiefsten Grund

1) Hrn. Wolf's, sowie meine, in Anmerkungen stehenden Zusäge beginnen in diesen, wo sie an eine Anmerkung des Hrn. Ticknor angeschlossen find, immer mit einem besondern Absage an ihrem Anfange, sowie sie mit den Anfangsbuchstaben unserer Namen in Klammern regelmäßig schließen.

2) Don Luis Joseph Velazquez, Geschichte der spanischen Dichtkunst. Aus dem Spanischen überfeßt und mit Anmerkungen erläutert von Johann Dieze (Göttingen 1769).

in ererbten oder erworbenen religiösen und politischen Ueberzeugungen, in nationalen und individuellen Standpunkten haben möchten, dem Leser gleichsam zum Spruche hier vorzutragen, oder auch nur als Randzeichnungen zu dem in sich vollendeten und abgeschlossenen Werke eines theuern Freundes anzubringen. Um so mehr, da ich des weisen Ausspruches eingedenk war:,,Der Literarhistoriker unserer Lage muß die lyrische Erregtheit seiner eigenen Geschmacksrichtung der epischen Einlebung in die Erscheinung und ihrer Seinsberechtigung unterordnen, um eine dramatisch-künstlerische Darstellung geben zu können ')."

Hr. Prescott macht in seiner bereits erwähnten Anzeige des Ticknor'schen Werkes die so richtige als feine Bemerkung,,,es sei wol bemerkenswerth, daß die Spanier, deren Sprache, ebenso sehr wie die der Franzosen und Italiener, auf lateinischer Unterlage ruhte, sich dennoch enthielten, ihre Literatur gleich jenen Völkern auf die classischen Muster des Alterthums zu gründen, und es vorzogen, sich mehr dem romantischen Geiste der nördlichen germanischen Völker anzuschließen. Es war der vorherrschende Einfluß der gothischen Grundbestandtheile ihres Charakters, der mit dem eigenthümlichen und höchst anregenden Einflusse ihrer frühern Geschichte hierbei zusammenwirkte".

Worin liegt nun aber der Urgrund dieser Besonderheit, daß die Gothen, sowie nicht minder die Angelsachsen, glücklicher als die stammverwandten Völkerschaften der Longobarden, der Franken, der Burgunder, ja selbst der Normannen, nachdem sie sämmtlich erfrischend und verjüngend das veraltete Römerreich überströmt hatten, tiefere Spuren der Deutschthümlichkeit der ansässigen Bevölkerung eindrückten und ihren gemeinsamen Nachkommen hinterließen, als jene minder beglückten andern Volksstämme gemeinsamen Ursprungs? Ich meine, er liegt darin, daß die Gothen, wenn auch weniger erfolgreich als die durch eiländische Lage vor fremden Völkerschaften gesicherten Angelsachsen, die troß der Zähigkeit der britischen und gälischen frühesten Bevölkerung der britischen Inseln, und ungeachtet ihrer Ueberwindung durch bereits verfranzte Normannen, gleich diesen Angelsachsen, so kurzdauernd auch das ostgothische Reich in Italien und die westgothische Herrschaft in der iberischen Halb

Nr. 299.

Ferdinand Wolf in den Blättern für literarische Unterhaltung, 1848,

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