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trägen, abstrakten, sondern eines thatenvollen, dem wir Jezigen es verdanken, wenn wir endlich auch politisch und kirchlich selbstständig werden; das klingt aufs Herzlichste wieder in dem trefftichen Gedicht von Hegel: Eleusis, welches Rosenkranz uns in dem Leben Hegels höchst dankenswerth mittheilt. Hier verwandelt sich Hegel wunderbar leicht, und doch ohne seine bekannte Tiefe zu verlieren, in Hölderlin, ja er verwandelt sich in dessen Pendant, in Novalis, indem er uns in jenem Gedicht einen Hymnus an die Nacht gibt, oft ganz in der Anschauungsweise Hardenbergs und doch zugleich in der von Hölderlin, bis auf das Pantheistische und den Drang, dem Idealen Form, dem Unendlichen Gestalt zu geben, sogar bis auf die Nahebringung Griechenlands. Und was könnte auch wohl mehr den Herzpunkt Hölderlins uns erschließen, mit allen Geheimnissen der Griechen und Hölderlins selbst, als gerade die Idee und dichterische Ausführung: Eleusis? So sehr schmiegt sich Hegel in dem genannten Gedicht an Hölderlin an, daß er gegen das Ende desselben ganz im Sinne, in der Wehmuth seines Freundes auch den Schmerz über das verschwundene Hellas ausspricht, ein Vangen um das Vergangene, das sonst Hegeln eben so wenig eigen war als Goethe'n.

Es trägt sich auf dem Gebiete des Geistes wie auf dem des natürlichen Lebens viel häufiger zu, als man bemerkt, daß unter den Gliedern eines Doppelverhältnisses ein hinzukommendes, das sich durchaus abweichend von ihnen und noch dazu abnorm entwickelt, der eigentliche Deutepunkt für die übrigen, für ihre Unterschiede und Aehnlichkeiten, für ihre ganze Wahlverwandtschaft wird. Dieses hinzukommende Glied in dem Doppelverhältniß von Schiller und Goethe, von Schelling und Hegel ist kein anderer als eben Hölderlin. Er entwickelt sich allmählig in einer so herrlichen Weise, ja er wird objektiv, wie es ihm Schiller und Goethe, nach dem Briefwechsel zu schließen, vielleicht nimmer zu= getraut hätten. Und was würde er vollends geworden seyn, wenn er nicht, wie Schiller es allerdings in den Worten eines seiner Briefe an Goethe bereits fürchtet: sein Zustand ist ge= fährlich, da solchen Naturen so gar schwer beizukommen ist," wenn er nicht wirklich in den Abgrund des Subjekts hinuntergegangen wäre! Was nun aber jenen Deutepunkt betrifft, so vergegenwärtige man sich nur die ganze Entwicklung, die Schiller

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und Goethe, Schelling und Hegel genommen, besonders in dem, was sie producirt haben; man vertiefe sich in die Ideen Hölder= lins, wie sie uns nun vollständig in seinen Werken vorliegen, um unsere Behauptung weiter zu prüfen. Dabei könnte frei= lich fast ein Schmerz in uns anklingen, wenn man sich nicht immer mit demjenigen versöhnen müßte, was auch in der Literatur sich zulegt als eine tiefere Nothwendigkeit zu erkennen gibt, die dennoch wieder das Beffere herbeiführt. Wir haben uns nämlich in mancher Beziehung daran gewöhnt, und es ist schon die Geläufigkeit eines bestimmt ausgeprägten Sprachgebrauchs für uns geworden, eben so Schelling und Hegel zusammen zu nennen, wie wir Schiller und Goethe zusammen aufführen. Auch beruht jenes Zusammen wirklich auf einer Geistesverwandtschaft, auf einer Annäherung der Entwicklungsphasen jener Genien, welche durch nichts, was dagegen sprechen sollte, gestört werden kann. Und auch dafür enthält Hölderlin in dichterischer wie in philosophischer Hinsicht die wichtigsten Belege. Nun schmerzt es uns aber mit Recht, daß dieses schöne, sich und die Nation in Gegen= feitigkeit der Mittheilung, in rascher, jugendlich-kühner Schöpfungsluft und Polemik, in dem neidlosen Erfahren großer Umwälzungen durch die eigenen Thaten fördernde Doppelleben der Freundschaft in Schelling und Hegel in der zweiten Lebenshälfte zurücktreten konnte, während uns doch die erste ein ähnliches Zusammenwirken beider, ein gleich feuriges Arbeiten für die Ideen und Abweisen der Philister darbietet, wie bei Schiller und Goethe. Wie entspricht die Zeit, in welcher sich Schelling und Hegel in jugendlicher Werdelust für das kritische Journal der Philosophie und andere Schöpfungen rüßten, und die Lust zur That werden lassen, jener unvergeßlichen, gemeinsamen Pflege der Horen bei Schiller und Goethe, jenem erhabenen und doch so jovialen Götterakte, als sie das Xeniengewitter mitsammen brauen, als sie es über Deutschland hinbrausen und links und rechts einschlagen lassen! Denn es ist bekannt, daß Schelling und Hegel in der Polemik auch nicht blöde gewesen sind, und ebenfalls große Niederlagen unter den Spießbürgern angerichtet haben. Daher denn auch Rosenkranz in seiner geistreichen Weise einem feinfühligen Takte folgte, als er im Königsberger Literaturblatt einige der herrlichen Fragmente Hegels aus der Jenaer Periode unter dem.

Namen Xenien veröffentlichte. Was nun aber jenes Verhältniß Schellings und Hegels betrifft, so ist es ein so natürlicher Wunsch, daß es sich auch im Persönlichen bis zu Ende erhalten haben möchte. Man könnte einen entsprechend fruchtbaren Briefwechsel von sommerlich heißer Triebkraft des Reifens dichten, in Ermangelung des wirklichen, zwischen dem Schöpfer der Identitätsphilosophie und dem großen Denker des Absoluten, wie wir den poetischen von Schiller und Goethe besigen; auch sind wir vielleicht nicht sicher, daß nicht auch ihn Bettina noch dichtet. Aber, wie gesagt, daß das alles nicht so geworden wie es doch angelegt war, darf uns nicht verdrießen, es hat vielmehr die spätere Disharmonie in beiden Philosophen, wie bereitwillig Hegels Natur auch war, in der Nothwendigkeit der philosophischen Fortgestaltung seinen Grund, in dem Unberechenbaren geistiger Differenzen, die unter den wacker Strebenden immer wieder zur Einheit hinführen müssen.

In Hölderlins Individualität ist nun vieles von dem, was das Charakteristische jener Dichter und Denker, Schillers wie Goethe's, Schellings wie Hegels, genannt werden muß, völlig wie latent. Dann löst sich solche Gebundenheit in der Produktion, und verliert sich entweder ätherisch in ein grenzenloses Heimweh nach Griechenland, in ein leidenschaftliches Bangen nach dem Ideal, in ein lyrisch musikalisches Hinschmelzen nach dem All, oder es findet die volle Befriedigung in der Welt schöner Gestaltung, in dem Maß und der Heiterkeit der reinsten Antike, oder es eröffnet sich zur Anschauung der Ideen und der Natur und zum Denken des Absoluten. Ja in einigen sehr merkwürdigen Aeußerungen im Hyperion über Philosophie finden wir sogar einen leisen Anklang von dem, was den jezigen Schelling bezeichnet, namentlich wie dieser gegenwärtig die Vernunft im Verhältniß zum Sehenden deducirt.

Haben wir nun in dem Bisherigen das Wesen Hölderlins in dieser lebendigen Wechselbeziehung Deutschlands und Griechenlands auf einander erkannt, und haben wir ihn den Modernen der Gegenwart darin völlig entgegengeseßt, daß er das Ideal in seiner Ursprünglichkeit und Erscheinung zugleich, in seinem Jenseits und Dieffeits, ja in einem Höheren als es selbst, begründet weiß, so könnte er dennoch in einer Richtung sogar auf das

Moderne eine concrete Beziehung haben, und zwar eine Beziehung auf eine ganz bestimmte Gestalt desselben. Nämlich darin, daß Hölderlin seine Sehnsucht nach der vollendeten Schönheit, im Sinne der Griechen, immer mit der heitern Freiheit einer nationalen Oeffentlichkeit in Verbindung bringt. Auch darüber klagt er am Grabe von Hellas, daß das neue Griechenland unter dem Joche der Despotie seufzt. Auch das ist sein Schmerz, daß die Jeztgeborenen jenes einst so herrlichen Volkes, nicht ahnend von wem ste stammen, noch dazu die Ketten der Sklaverei tragen. Er bangt nach Griechenlands Befreiung, er erfinnt oder vielmehr erdichtet einen Plan, den ihm wieder die Muße der heißesten Sehnsucht diktirt, den ihm sein musikalisches Herz förmlich in Töne sezt. Diese Musik, diese antike Marseillaise der griechischen Freiheit, dieser Hymnus, trunken von Begeisterung und Wehmuth, schwellend von Manneskühnheit und Melancholie, durchdrungen von sanfter Schönheit und griechischer Religion, von Kunst und Philosophie, von zartester Liebe und Freiheit glühender Politik ist - Hyperion. Und wie Hölderlin seinen Helden sich losreißen läßt von der seltensten Geliebten, von Diotimen, die ein ächt griechisches Frauenbild, die vollendete Schönheit weiblicher Antike wäre, wenn sie nicht allein aus Aether und Licht bestände; und wie er ihn hinausschickt zum Kampfe um Griechenlands Freiheit; so ist Hölderlin dieser Hyperion doch selbst, und in so fern ist Hölderlin der deutsche Prototyp Byrons (wenn auch sonst allerdings eine ganz und gar abweichende Natur von dem Lord), als auch er fortwährend nach Griechenland strebt, als auch er sinnt und schafft, wenigstens ideell, Hellas zu befreien, wie jener dem gemäß sogar handelt. So daß in dieser schwärmerischen Liebe zu Griechenland, in dieser bereitwilligen Aufopferung für seine Freiheit Hölderlin allerdings eine Beziehung auf die moderne Zeit darlegt, in der das, wonach er bangte, und, was er bloß dichtete, ausgeführt werden sollte.

Nachdem wir nun den Charakter Hölderlins in seinen allge= meinsten Umrissen entworfen haben, gehen wir zur näheren Betrachtung seiner Werke über, um uns zu überzeugen, wie fern sich das von uns Angedeutete bewährt finden sollte oder nicht, aber auch um einen und andern der bisher nur skizzirten Züge weiter auszuführen.

II.

Hölderlin's lyrische Gedichte.

Erste Abtheilung.

Nach der vom Herausgeber, Christoph Theodor Schwab, passend getroffenen Zusammenstellung gruppiren sich die Werke Hölderlins: 1) Gedichte; 2) Hyperion oder der Eremit in Griechenland; 3) Briefwechsel; 4) vermischte Briefe; 5) Jugendgedichte; 6) Prosaisches; 7) Hölderlins Leben; 8) Gedichte aus der Zeit des Irrsinns; 9) Anhang.

Die lyrischen Gedichte Hölderlins (dieser ersten Abtheilung) gehören ohne Zweifel schon zu demjenigen Theil unserer schönen Literatur, welcher in den lezten Jahren bereits bis zum gebilTeten Urtheil der Nation vorgedrungen ist und sich hier die allgemeine Anerkennung seiner Classicität erworben hat. Man kann dieses bekanntlich nicht von allen classischen Leistungen unserer Sprache, man kann es auch nicht von den andern Arbeiten Hölderlins sagen. Es gibt vollendete Schöpfungen, die immer nur noch dem kleinsten Ausschuß von Kennern angehören und gewiß noch lange in der klaren Würdigung nur Weniger sich befinden Hölderlin, der Lyriker, in dieser ersten Abtheilung Dagegen einem großem Publikum schon aus Chrestomathien be= kannt, ungeachtet auch er zum vollen Verständniß das reifste Geschmacksurtheil vorausseßt, hat dennoch etwas, was den empfänglichen Sinn schon von vorn herein anspricht, was tief ins Gemüth dringt und den reichen Gehalt, wie die Anmuth und Vollendung der Form vielen sogleich deutlich macht. Vielleicht verdankt Hölderlin einen Theil dieser Popularität in idealer

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