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lität der Eristenz, wir fühlen es heraus, wir athmen es mit jedem seiner Worte ein, daß Hölderlin in dieser idealen Sphäre wirklich zu leben, auf die Länge zu leben vermochte, daß es sein heimathliches Element war, und fragen uns unwillkürlich, wie viele von uns auf solcher Höhe der Lebensfitte und Gewohnheit sich wohl erhalten, fie auch nur erreichen könnten. Freilich wußte nach dem, wie wir ihn kennen, Hölderlin sehr gut, daß dasjenige, was so viele auf unserm Planeten schon Wirklichkeit nennen, ganz anderer Art ist. Daher weht denn auch in dem angeführten Gedichte ein Luftzug, welcher das rechte Signal für Zugvögel ist, um eine andere Gegend des Bleibens und Wohlseyns aufzusuchen. Daß der Dichter am Schluffe des Gedichts noch die Grazien für uns bittet, ist in ihm die Mahnung ächt prophetischer Frömmigkeit. In Betreff der nächsten Dichtung: „Der Rhein“ überschrieben, S. 117, wünschten wir, daß der sorgfältige Leser einmal die Hymne auf das Abendmahl von Novalis damit vergleichen möchte, um die Aehnlichkeit und die Abweichung, wie diese der Polarität beider Verfasser entspricht, bei zwei so verschiedenen Gedichten ein für allemal zu gewahren.

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Wie unser Dichter wahrhaft antik mit dem herrlichen Gesange auf das Schicksal seinen lyrischen Cultus begann, so schließt er ihn hier mit Hyperions Schicksalslied." So entspricht das Ende dem Anfange und ist der Anfang. Dieses Schicksalslied ist in jeder Hinsicht eine classische Leistung, vor allem aber classisch im Sinne der Griechen. Und wer nun auch die Zusammengehörigkeit, die künstlerische Verwandtschaft Hölderlins und Goethe's mit einem Blicke zur Anschauung sich bringen will, der vertiefe sich, nachdem er die Schönheit des angeführten Gesanges völlig durchdrungen, sogleich in jenes class sische Lied der Parzen, bei Gelegenheit des Tantalus, in Goethe's Iphigenie, um sich selbst davon zu überzeugen, ob wir zu viel behaupten. Doch wir gehen jezt auf das Trauerspielfragment Empedokles über.

III.

Empedokles.

Durch den Päan auf das Schicksal, welchen wir so eben vernommen haben, würdig gestimmt und vorbereitet, treten wir in das Allerheiligste unseres Griechentempels. Und doch ist es eigentlich kein Tempel der Kunst, es ist nicht ein auf einen engen Raum beschränktes Heiligthum, in welchem der Hauptvorgang unseres Stückes spielt, es ist der große Tempel der Natur, es ist ein Heiligthum, welches zur Wölbung den tiefblauen Aether, zur Erhellung die ewigen Lichter des Himmels, zum Altare den rauchenden Aetna hat, an welchem der Priester, der hier fungirt, Opferer und Opfer, Priester und Gott zugleich, in eige= ner Person ist. Hölderlin konnte keinen herrlicheren, großarti= geren Stoff für ein Trauerspiel im größten Styl wählen, als der ist, den er gewählt hat, wenn man auch bedauern muß, daß es ihm nicht beschieden worden, ihn zu Ende zu führen. Man könnte höchstens besorgt seyn, ob der Gegenstand auch die Mög= lichkeit in sich schließe, daß aus ihm ein Reichthum der Handlung entwickelt werde. Indessen bei einem so durchaus antiken Stoffe kam es gar nicht auf die Mannichfaltigkeit handelnder Personen an, und wie mit dem einfachsten Aufwande dennoch die stärkste Spannung erreicht, wie durch wenig Personen dennoch ein erfolgreiches Zusammenwirken zu gewinnen sey, Hölderlin hat es durch die That bewiesen. Glücklich aber war die Wahl besonders deßhalb, weil sie den Dichter in den Stand sezte, sich selbst und sein Wollen, den ganzen geheimnißvoll tiefsinnigen Hintergrund seiner Natur einmal an das volle Licht und in Scene zu Jung, Hölderlin und seine Werke. 3 4

segen, um daran zu ermessen, wie gewisse Ideen und ihre Vertreter mit der Umgebung übereinstimmen oder nicht, durchdringen oder nur wenigen verständlich werden und zu Grunde gehen.

Empedokles, wie er doch mehrfach der philosophischen Sage gehört, ist in gewissem Sinne der entsprechende, spätere Mythos, wenn auch historisch durchwirkt, zu dem Urmythos des Prometheus. Wie dieser in seiner Weise die Natur durchdringt und beherrscht, wiefern er sich ihre Elemente zu Nußen macht, wiefern er ihr vorgreift und den Menschen bildet (wenn anders sie allein es vermöchte), indem er ihn schafft; so weiht Empedokles sein ganzes Leben der Erforschung der Natur, und wird so vertraut mit ihr und doch zugleich ihr Herr, daß er am liebsten nur mit der Natur und mit den Göttern lebt, aber, indem er doch auch den Erdgebornen sich weiht, in dem höheren Sinne Menschen bildet, als er ihnen den Geist der Götter zuführt, sie der Götter würdig leben lehrt, und so den Menschen erst wahrhaft zum Menschen macht. Wie Prometheus das Sonnenfeuer raubt und dafür an den Kaukasus geschmiedet wird, so weiht sich Empedokles dem vulkanischen Erdfeuer, und wird selber, aber freiwillig, dessen Raub, so daß der Aetna ihn befreit, während jenen der Kaukasus knechtet. Wie endlich Promotheus den Göttern Troz bietet, wie er als Mensch sich ihnen gewachsen zu seyn dünkt, ja sie fast armselig findet, so weiß sich Empedokles, als der eigentliche Elementar-Meister und Schöpfer, selbst vergottet, er weiß sich zu entschieden den Menschen entwachsen, als daß er noch fürder mit ihnen zu wandeln vermöchte.

Kann man einen großen Theil der griechischen Philosophie, besonders wenn man an ihre großartige Naivetät, an ihr unmittelbares Verhältniß zur Natur denkt, als Naturwissenschaft bezeichnen, so daß beide, Philosophie und Naturwissenschaft, wieder vielfach mit der Poeste Eins werden, wie das bei dem Philosophen Empedokles der Fall war, so darf man den Empedokles von Hölderlin eine poetische Apotheose der Naturphilosophie und der Philosophie überhaupt nennen, in welcher der Dichter uns das Leben und Ende, fast in seiner Nothwendigkeit und das her tragisch, kurz die höchste Vollendung des Denkers, der doch zugleich Dichter ist, vorführt. Wie Goethe, im Sinne der deut

schen Sage, Leben, Tod und Höllenfahrt des Doktor Faust dichtete, und dabei fortwährend mit aller Wärme den Prometheus hegte, ganz so dichtete Hölderlin, im Sinne der Griechen, mit aller Wärme das Leben, den Tod und die Höllenfahrt des Empedofles.

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Doch nicht umsonst ist auch Empedokles, wie wir schon einmal darauf hingewiesen haben, der eigentliche Ahn Hölder= derling in der alten Welt, nur mit mehrfach entgegengeseztem Schicksal, wie wir für die neue Zeit an Novalis die entgegen= gesezte Richtung von Hölderlin wahrnahmen. Auch sieht nach Panthea's schöner Aussage Empedokles vor seinem Sturze nicht bloß zur Erd' hinab," er steht auch zum Himmel hinauf," gleichsam noch schwankend und erwägend, was er wohl wählen, wohin er wohl gehen solle. Das Hinunter ist nun freilich dem. Menschen, troß der Erfindung des Dädalus, das Leichtere, und Empedokles hätte sich in Betreff des Hinauf wahrscheinlich mit dem Geiste und seiner Absolutheit begnügen müssen. Er wählt endlich - und erscheint darin als der eigentliche Gegenmann unseres Dichters das Hinunter. Er fährt zu dem untern Helios, in das Grab des Aethers, wo der Aether sich nicht mehr spiegelt in den Wassern der Erde, so daß das Urgewässer dort unten blind und traurig ist aus Gram um den Geliebten droben. Diese Fahrt des Empedokles zu den Unterirdischen, nachdem er auf der Erde fertig geworden ist, könnte in ihrem Lieffinn als eine fortgesette Naturforschung, ja als eine Höllenfahrt der Philosophie vorgestellt werden mit Anspielung auf die Höllenfahrt Christi, deren spekulativen Gehalt der tiefere Forscher verläugnen wird.

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Aber wer ist denn nun eigentlich Empedokles selbst, der Held unseres Trauerspiels? Empedokles ist derjenige Mensch, dessen harmonische Anlagen und Kräfte, die er bis zur reifsten Blüthe und Frucht ausgebildet hat, das Schöne dem Wahren gesellend, ihn schnell über andere Menschen weggetragen haben. Es war der Flug des Genius. Aber nie vergaß er die Menschen, wie er nie die Natur vergaß. Im Gegentheil, er war der Menschen Lehrer, Arzt, Gesetzgeber, Staatslenker, Erfinder, Anwalt, Versöhner, er war ihnen Priester, und erst als er fortschritt und sie nicht mitwollten, und erst als er entdeckte,

daß die Natur sich ewig gleich bleibe, die Menschen nicht, ja daß die meisten von ihnen dem Rechten widerständen und nicht einmal der Natur sich gleich achteten, geschweige den Göttern, daß sie die Götter aber dennoch verachteten, und als er gar erkannte, daß der Geist das All durchdringe, die Götter nur des Geistes gleichen sehen, daß der edlere Mensch Geist sey von ihrem Geiste, und also ebenbürtig den Göttern, als er sich selbst ein Gott wußte, nicht mehr ein Mensch, ein Priester bloß, und nun dennoch die Rohheit, die Gemeinheit, die Stumpfheit, die ihn nicht ahnte, sein Recht antastete, ihr Unrecht zum Recht machen wollte, da wurde es ihm, wie sehr er bis dahin sein Volk geliebt hatte, zu enge auf Erden, er wußte, er habe ausgelebt, denn wer vollendet sey der müsse sterben, und er, Empedokles, könne um so leichter sterben, als er nicht aussterbe, als er einen Schüler gefunden habe, der dem gleich geworden sey, der Empedokles gewesen als er noch Mensch war; aber er müsse auch nicht bloß so zufällig sterben, er müsse auch sterben wollen, da er mit der Erde oben fertig sey und nur das Untere gewählt werden müsse, um auch das Oberste zu bewältigen; kurz, der Tod aus Götterstolz, aus Erdensattheit, aus Menschenverachtung, aus Liebe zu seinem Schüler, aus Naturheim= weh, aus Aldurst, der Opfertod aus Pantheismus, zu dem seine Elemente ihn doch zuleht hinführen mußten, ist der Tod des Empedokles. Doch gehen wir aus solcher Allgemeinheit an das Einzelne selbst, so wird sich uns die Bedeutung des Helden noch mehr ergeben.

Im reizendsten Contrast zu dem tiefen Ernste des Trauerspiels versezt uns der Anfang des Stücks in das liebliche Gespräch zweier Jungfrauen, die sich nach Mädchenart in anmuthiger Unbefangenheit ihre Herzensgeheimnisse, ihre Lieblingsneigungen mittheilen. Sie bilden selbst zu einander den schönsten Contrast in ihrer ganzen Sinnesweise, in ihrer Liebe, nebenbei wohl auch in ihrem Temperamente. Sie könnten uns wie jene holden Fürstinnen gemahnen am Anfange des Goethe'schen Tasso, die auch gegen einander offenherzig sind, im Punkte zartesten Geheimnisses einander necken; nur sind die unsrigen mehr einfach bürgerlichen Wesens, obwohl ebenfalls das Höchste von ihnen berührt wird; nur weht hier mehr griechische Luft, während dort

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