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donnert, der wirkliche Aufruhr aller Elemente fich hören läßt beim Aufruhr eines wirklichen Menschen, der seinen Aufruhr durch den wirklichen Opfertod zu stillen sich anschickt.

Hier handelt es sich nicht um einen bloß so vorgestellten Tod des Herkules auf dem Oeta, nicht um den Tod des älteren Plinius, welcher doch mehr, wie man zu sagen pflegt, zu Scha= den kommt, indem er sich nicht recht in Acht nimmt, hier wird vollends nicht vorgestellt, wie ein moderner Naturforscher unter viel Abenteuern und Lebensgefahren und Zeitungslärm die Quellen des Nil ausspäht, den Fall des Niagara besucht, oder zum Ganges ohne Gewissensbisse und Buße bloß so ein bischen spazierwallfahrtet; nein, hier wallfahrtet wirklich einer zu der ewigen Werkstatt der Cyklopen, zu den Urquellen der Erde und des Erdfeuers, ja er dringt nicht wie Odysseus mit einigen Thier opfern zu den Schatten, er muß sich selbst bezahlen, er gibt sich selbst zum Opfer, er dringt, der kühnste Naturforscher, der je gelebt, hinunter zu den vulkanischen Feuern der Urwelt, nachdem er droben auf Erden seine Beobachtungen zu Ende geführt hat. Wie ein beherzter Arzt, der die leidende Natur in allen ihren Symptomen, in den krampfhaftesten ihrer Zuckungen, in ihrer Abgesperrtheit sogar beobachten will, sich zu einem Kranken in das Bette legt, auf die Gefahr des Todes hin, um die Ansteckung zu erprüfen, so legt jener sich in das Bette des Vulkans, und er weiß es, er wird angesteckt werden von den Fieberflammen des hörbar Rasenden, er wird den Tod in diesen Flammen finden, und er will es sogar.

Einiges von dem, was in dem herrlichen Monolog des Empedokles, S. 198, vorkommt, könnte als ein Gegenstück erscheinen zu manchen Einzelnheiten im Sturm von Shakspeare, wie ja auch Empedokles eines Bruders gedenkt, der ihn vertrieben habe. Prospero auf einer Insel, wo ihn ein Wassermeer um= wogt, Empedokles auf einer Insel, wo ihm das Feuermeer des Aetna entgegenfluthet. Und so vereinsamt er sich jezt denn immer mehr da droben auf dem Berge. Alle Schrecken dieser Einsamkeit kommen über ihn, die Schrecken des Vulkans, der Seele, des Todes erfassen ihn. Bereits ist er von aller Kreatur geschieden (203) und hält schon für sich eine Lebensabrechnung, und dennoch tritt jezt noch einer zu ihm herein in der Gestalt

eines Greises. Manes ist es. Das Dunkle, Kurzsylbige in der Aeußerung, das Ursprungslose, Uebernächtige, Ueberweltliche dieser Erscheinung ist von großer Wirkung für die Phantasie. Wer ist dieser Manes? Ist er ein Jenseitiger oder Diesseitiger? Er gibt sich für den lezten aus, aber dennoch macht er einen Eindruck, bei dem einem, wie man zu sagen pflegt, nicht recht geheuer wird. Manes, obwohl in der Gestalt eines Sterblichen, kann dieß und kann das seyn, und darin liegt eben seine Geisterhaftigkeit. Er erscheint uns wie der schwarzgraue Schatten, den Empedokles selbst schauerlich über das lange, weiße Schnee= feld der wilden Gebirgskoppe wirft, und dann kommt dieser Schatten doch auch wieder in riesenhafter Ausdehnung weit, weit vom fernsten Horizont her, gerade auf den Empedokles zu. Daher erscheint dieser Manes auch wieder wie ein Abgesandter des Schattenreichs, wie ein Bote aller Manen dort drüben, wie ein Grenzwächter, den diese dem Empedokles schicken, um ihn von Grund aus zu erkunden, bevor er gewürdigt wird, in das lezte aller Mysterien, in das größte Eleusinium, nach dem er ein glühendes Verlangen hat, einzutreten. Manes ist so nicht der subjektive, sondern der objektive Richter; der subjektive ist sich Empedokles schon selbst. Manes soll ihm festen Blickes Aug' in Aug' sehen, das Auge eines Greises in das Auge eines Greises, der sich wenigstens Greis dünkt und, wenn nicht Greis, doch ein Vollendeter, ja Gott zu seyn wähnt. Kurz, von dieser Seite betrachtet erscheint Manes dem Empedokles, der wohl gemeint hat, so ohne weiteres zur Pforte des Aetna und durch die Pforte zur Unterwelt zu gelangen, wie der Urmanichäer der Ewigkeit, der ihn an die Gesammtschuld des Lebens mahnt und ihm daher mitten in den Weg tritt, um ihm den Paß zu visiren, um ihm ein Uebermenschliches nahe zu bringen. Aber sogleich wird er auch wieder zu seines gleichen, ja er sinkt unter ihn. Er wird ein Wahrsager, er wird das schwächere, irdische Selbst des Empedokles, die Feigheit bloß individueller Natur, die vor dem Sturz in den Abgrund des All zurückbebt, der nur noch zum Schemen herabgesunkene Sterbliche, über den der jezige Empedokles triumphirt. So ändert dieser Manes denn auch nichts, wer er auch seyn mag! Empedokles, indem er noch einmal seine Mission ausspricht und sich noch einmal in den innersten

Gedanken zurückzieht, verschwindet auch schon unsern Blicken wie der prächtig scheidende Sonnenuntergang seines Volkes, indem ein eben heranbrausendes Gewitter dem Scheidenden die lezte Erdenehre ertheilt.

Und so scheiden wir denn auch von diesem ausgezeichneten Fragment unserer Literatur, indem wir zu unserem anfänglichen. Wunsch wieder zurückkehren: möchten die bessern unten den tendenzflüchtigen Schriftstellern unserer Zeit aus Hölderlins Empedokles Vertiefung in die Objekte, auf denen ihre Wahl beruht, und Darstellung dieser Objekte lernen! Möchten jene Eintags= dramatiker, die alles für die Bretter, und zwar so gewöhnlich wie möglich zuschneiden, welche es vergessen, daß der ächte dra= matische Dichter das ewige Ideal in der vollen Strömung des Lebens als Handlung an uns vorüberführen soll, an unserem Trauerspiel absehen, wie man zu erfinden hat, wie man in der einfachsten Gruppirung sich dennoch die größte Wirkung sichern und einen Eindruck erreichen kann, der an Macht, an Erhebung dem nicht nachsteht, welchen die Religion übt! Möchten alle die, welche in einer ewigen Jagd auf das trivialste Geschehen nun gar noch in der Heze auf das Pikante und Frivole leben, aus unserem Dichter entnehmen, welches höhere Ereigniß aus dem wirklichen Gedanken, vollends aus der Idee folgt, und wie bloße Reflerionen auf den Zeitgeist und Accomodationen an die Menge nie die Nation erfassen, daß Thaten daraus hervorgehen! Doch wir wollen diese Betrachtung abbrechen und wenden uns dem nächsten Hauptwerke Hölderlins zu, es ist der Roman Hyperion.

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พ. Hyperion.

Da wir in der Charakteristik der Werke unseres Dichters uns, was die Ordnung betrifft, nicht durch chronologische Abfolge ihres Entstehens, sondern durch die Aneinanderreihung bestimmen lassen, welche der Herausgeber getroffen, so haben wir jezt, nachdem wir den Empedokles in nähere Erörterung gezogen, um einige Jahre zurückzublicken, da der Roman Hyperion schon vom Anfange der neunziger ab gearbeitet wurde, während Hölderlin zu dem Empedokles erst im Jahre 1799 überging. Ungeachtet nun aber dieses Trauerspiel dem eigentlichen Kunstwerthe nach offenbar über jenen Roman gestellt werden muß, was denn auch in sofern erfreulich ist, als wir daraus ersehen, der Dichter sey in der Produktion überhaupt vorwärts gelangt, so leidet es dennoch keinen Zweifel, daß der Hyperion Hölderlins ganzes Wesen viel mehr fesselte und so zu sagen ihm inniger am Herzen lag, als irgend eine seiner übrigen Leistungen. Sehr natürlich. Ohne Einfluß, und zwar ohne vorwiegenden Einfluß, konnte es nicht bleiben, daß Hölderlin in Deutschland geboren worden, und wenn er auch, wie wir bemerkt, in Hellas dem Geiste nach seine eigentliche Heimath erkannte, so war es doch, da dieses Land der Wirklichkeit nicht mehr angehörte, und nach dem, wie noch sonst Hölderlins Natur angelegt war, vorzugsweise die Sehnsucht, welche ihn unablässig nach Griechenland zog, und so mußte denn sein deutsches Gemüth diese Sehnsucht vorherrschend musikalisch und nicht plastisch ausklingen lassen. Diese Composition ist eben Hyperion.

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Wie nun dieser Hyperion nach immer wieder erneuter Ueberarbeitung des Dichters vor uns liegt, so beweist er recht unzweideutig, wie weit der Zerfall mit der Wirklichkeit in dem Verfasser schon gediehen war. Versuchen wir über unsern Roman erst im Allgemeinen uns zurecht zu finden.

Der Plan, wie er der Ausführung größtentheils zu Grunde liegt, ist aufs Schönste ersonnen, der Held ist aufs Treffendste und Ergiebigste gewählt. Wie Hyperion seiner Abstammung näch dem Titanengeschlechte gehört, so könnten wir von ihm unter der Hand eines solchen Dichters das Glücklichste erwarten. Aber wie verläuft sich das Ganze? Zunächst in schöner, einfach antiker Aneinanderreihung, wenn wir von der Form absehen, die als Briefform hier in keiner Weise dem Antiken anpassen will, obwohl auch in jener Gruppirung, wo sie ins Ende ausgeht, bereits das Krankhaft-Moderne hervortritt, welches fich freilich zuerst und entscheidend schon in dem Abschiede von Adamas zeigt. Umdrängt von der immer gleichen Fülle und Heiterkeit griechischer Natur, auf den herrlichen Trümmern dieser einzigen Vorwelt, finden wir den jungen Helden im Umgange mit einem Lehrer, der, aller Weisheit und Geistesreife der Alten kundig, ihn dem Höchsten weiht. Und so ist später einem solchen Zögling, nachdem er den Segen und die Weihe vom Meister erhalten, die ihm das Kühnste als erreichbar vorführt, auch ein Freund beschieden, dem nur er fehlt, wie diesem jener, um den Kampf für das Theuerste, für die Befreiung des Vaterlandes zu beginnen und auszufechten; Muth gesellt sich hier dem Muthe, Flamme schlägt in Flamme, der Thatendrang beider lechzt nur nach Gelegenheit. Aber auch die Geliebte findet der Held, nicht eine, die in gedankenloser Liebe mit dem Gefundenen schwärmt, nicht eine, die sich von ihm für den Werktag des Lebens werben läßt und ihn dafür im Gewöhnlichen zurückhält, nein, eine Griechin, die der Väter, wie er, immerdar eingedenk ist, eine Griechin, die einer Familie gehört, welche neben den übrig gebliebenen, ehrwürdigen Trümmern und Kunstwerken des Alter= thums aus lauter lebendigen, übrig gebliebenen Idealen des alten Hellenismus besteht. Und diese Tochter einer solchen Familie, ganz zarte, ganz gesunde, ächt jungfräuliche Natur, dem häuslichen Herde neben der würdigsten Mutter in unüberspannter

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