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lichkeit der irdischen Schönheit überwunden, vielleicht sogar das tragische Loos seiner Zukunft unmöglich gemacht hätte, ist die griechische Ironie. Hölderlin hat alles von den Griechen, er ist ein Poet, der in dem Wenigen, was wir von ihm besigen, den größten Griechen an die Seite gestellt werden darf, aber — Hölderlin hat keine Ironie. Diesen Mangel müssen wir erst näher in Betracht ziehen, um uns der ganzen Herrlichkeit des Dichters dann auch um so ungestörter zu erfreuen.

Die Ironie der Griechen ist die naive, heitere Gewißheit in ihnen, daß alle Verneinung in den Dingen und den Menschen dem Positiven der Welt nichts anhaben könne, ste ist die Schalkhaftigkeit des Weisen, die er von den Charitinnen überkommen hat, um die üble Laune der Ereignisse, den Widerspruchsgeist in der Welt zum Besten zu haben, und dadurch die Schwachheit dieses Geistes bloß zu geben. Die Griechen kannten die Macht der Verneinung schon in bedeutendem Umfang, aber sie beruhten auf einer so unverwüstlichen Natur, sie wußten den Verlaß auf das Naturgesez so sicher der Verneinung entgegenzustellen, daß sie dieser sogar absichtlich noch Nahrung gaben, daß sie ihr in der Skepsis und Sophistik sogar eine Methode zueigneten, welche sich in dem schönen Rhythmus einer gesehmäßigen Bewegung ergehen durfte, und sie wußten dennoch, daß die Verneinung gegen das Wesen der Welt lauter Ohnmacht sey. In dieser Sicherheit des Verfahrens erkennen die Griechen die Ironie nicht bloß als in der Wahrheit und Ewigkeit der Welt gegründet, sondern sie üben sie sogar als Kunst aus, sie ist ihnen das heitere Spiel mit der Verneinung, die stegesgewisse Herausforde rung und Ueberlistung derselben. Kurz, die Ironie ist der Humor, ist die erlösende Macht der alten Welt. Daher ist auch eben derselbe, welcher dem Christenthum handelnd im Antiken am nächsten kommt, Sokrates, ein besonderer Vertreter und Meister der antiken Ironie.

Hölderlin, wie gesagt, wäre vollendet antik, wenn er auch nur einen Anhauch von Ironie hätte. Er hat die schärfste Antithesenschärfe der Polemik gegen die Mittelmäßigkeit, gegen die Stumpfheit der Menge; er hat das leidenschaftlichste Pathos mit dem classischen Ausdruck dafür gegen das Barbarenthum und die Verheerungen, welche es anrichtet; er hat im Empedokles eine der

Ironie ganz nahe kommende Kunst der Zersehung des Ungöttlichen; aber er hat keinen Anhauch von Ironie, und eben weil er ihn nicht hat, so wird seiner antiken Hoheit und Feinsinnigfeit die Niedrigkeit und Rohheit der Masse völlig unerträglich. Er flüchtet sich mitten aus der Antike, man sollte es kaum für möglich halten, in die Sentimentalität. Derselbe Dichter, welcher fast den ganzen Empedokles in der herrlichsten Plastik durchführt, bekommt in derselben Dichtung dennoch hie und da eine leise Anwandlung zum Musikalischen, ja Sentimentalen, und vermag vollends fast durch den ganzen Hyperion musikalisch zu bleiben. Er leistet auch in der Verschmelzung des Plastischen und Mustkalischen vielleicht das Höchste, was denkbar ist, aber eben weil der Kampf zwischen diesen Gegensägen von ihm nie völlig ausgefochten, geschweige zum einfürallemaligen Siege geführt wird, so weiß er den grenzenlosen Schmerz um Griechenland nicht zu überwinden, und geht in der Welt, die er pantheistisch faßt und doch nur als herrliche Ruine Griechenlands oder als unerquickliches, rohes Material der Gegenwart hat, zu Grunde.

Die deutsche Sprache ist fast auf eine wunderbare Weise dazu prädestinirt, Griechenland nicht bloß durch Uebersetzungen, sondern durch Schöpfungen wiederzugeben. Erwägt man noch dazu, daß unser Idiom eine ähnliche Beziehung auf Shakspeare hat, so wird man darin den universellen Beruf Deutschlands ohne Zweifel anerkennen müssen. Was nun Griechenland betrifft, so sind es besonders Schiller, Hölderlin und Goethe, welche den ächt griechischen Geist schöpferisch darzustellen vermögen. Wie nahe Hölderlin aber auch in andern Beziehungen Schillern kom= men mag, z. B. darin, daß er die Götter Griechenlands schmerzlich vermißt, in der reflerionslosen, ruhigen, objektiven Schöpfung tes griechischen Geistes kommt er Goethen näher, und kommt ihm näher als irgend ein anderer Dichter, ja er würde ihn und mit ihm die Griechen völlig erreichen, wenn er eben Ironie hätte, die Goethe in einer so feinen Weise besißt, daß er uns wahrhaft Grieche aus der schönsten Zeit von Hellas zu seyn scheint, sowie er in der Dichtung auch kaum je einen Ausdruck braucht, welcher irgendwie das Vermissen Griechenlands bei ihm vermuthen ließe. Hölderlin hat in unserer Literatur ein ganz ähnliches Verhältniß zu unserer classischen Periode wie Novalis zur romantischen Schule.

Und so sehr ist die Ironie das erlösende Moment der antiken Welt, daß selbst Tieck, der sich mit der Romantik dem Christenthum zuwendet, den alleinigen antiken Zug, den er besigt, eben in der Ironie hat, wenn sie auch freilich bei seiner Eigenthümlichkeit sogleich zu etwas anderem wird, als sie den Alten ge= wesen, und doch zu etwas Aehnlichem, denn sie ist auch bei Tieck der romantische Tik, mit dem er die üble Laune der Dinge und Menschen nachstimmt, und durch die künstliche Illusion eigener Verstimmung die Verstimmung der Welt zu heben und zu überlisten vermag.

Obwohl nun zwar alles comparative Verfahren, um einen schriftstellerischen Charakter zu ergründen, sobald es zur absoluten Methode wird, durchaus unzureichend befunden werden muß, so gibt es dennoch Erscheinungen in der Literatur, welche in ihrer Analogie schlagend auf einander hinweisen, so daß man die Hervorhebung derselben in ihrer Gegenseitigkeit gar nicht umgehen kann. Freilich aber sind die Erscheinungen, welche unter einer solchen Analogie befaßt werden, oft zugleich eben so einander entgegengesezt, wie sie in einem oder in einigen Haupt= punkten zusammentreffen. Auch Hölderlin hat einen solchen Pendant in der Literatur, der jedoch nur in so weit mit ihm verglichen werden darf, als man auch die völlige Entgegenseßung nicht übersteht, in der beide zu einander stehen; dieser Pendant Hölderlins ist eben Novalis, Freiherr v. Hardenberg, wie auch schon Karl Rosenkranz in seinem vortrefflichen Aufsag: „Ludwig Tieck und die romantische Schule," in dem ersten Theile seiner Studien (Berlin, Jonas Verlagsbuchhandlung, 1839) darauf hinweist.

Beide der genannten Schriftsteller, Hölderlin und Novalis, finden ihren Vereinigungspunkt in der Grundanschauung ihrer Weltbetrachtung, daß dasjenige, was der gewöhnliche Mensch einen schönen Traum zu nennen pflegt, die wahre Wirklichkeit sey, und daß dagegen dasjenige, was so viele als reale, als zuverlässige Wirklichkeit nehmen, weiter nichts seh als ein vorüberfliegender, gehaltloser Traum. Aber auch in der Liebe, in der Innigkeit, mit der beide die Natur umfaffen, deren. unendlichen Tiefsinn, deren sprechendes Leben sie nicht genugsam zu preisen wissen, in der gedankenreichen Frische, mit der sie das

Geheimniß der Natur hinstellen, jeden ihrer Züge belauschen, um dichterisch die Natur noch einmal zu schaffen, auch darin gibt fich die größte innere Verwandtschaft kund, die, weil sie so groß ift, nun auch bald in um so getrenntere Bahnen beide auseinanderführt. Wer wie Hölderlin und Novalis in schwärmerischer Sehnsucht unendlicher Liebe über die trennenden Perioden der Natur und Geschichte, ja über ganze Weltalter hinauseilt, der altert selbst eigentlich nicht, denn er erhält seine Liebe und seine Jugend stets lebendig schon an der Hoffnung und dem Glauben, er werde das Unveränderliche plöglich entdecken, er werde den Schleier der Jungfrau, der heiligen Ists, in einem glücklichen Augenblicke heben, und höbe er ihn auch nie, so altert er den= noch nicht, denn solcher Glaube schon ist Jugend und solche Liebe schon ist Ewigkeit. Wenn aber Novalis der Glückliche ist, der bei solcher Gesinnung früh stirbt, um die Ewigkeit der Jugend um so täuschender nachzubilden, so lebt Hölderlin zwar bis in das Greisenalter hinein, und durchlebt es noch dazu in heiligem Wahnsinn; aber dennoch ändert das nichts, denn auch er ist in dem, was er hinterläßt, der Erbe ewiger Jugend, und das, was sie an ihm Wahnsinn nannten, war nach seiner Anschauung nicht Wirklichkeit, sondern es war Traum, dagegen der Gehalt seiner Werke ist der vorg der ewigen Wirklichkeit; und wird nicht auch jener reine Enthusiasmus, jener überreiche Liefsinn so mancher Fragmente Hardenbergs der gewöhnlichen Auffassung wie Irrsinn erscheinen? So daß also auch hier ein Wechselspiel beider Naturen hervortritt. Doch verfolgen wir nun auch den eigentlichen Gegensah beider.

Wie Hölderlin das Germanische mit dem Griechischen in der Weise seiner dichterischen Eigenthümlichkeit verbindet, so Novalis das Germanische mit dem Chriftlichen. Wie Hölderlin seiner geistigen Abstammung nach ein Sohn des Aethers und des Lichtes ist, so ist Novalis vielmehr der Sohn des Grabes und der Nacht; aber der Eine schließt deßhalb eben so wenig mit dem leeren Aether oder dem reinen Lichte ab, als der Andere mit dem einsamen Grabe und der öden Nacht. Sondern Aether und Licht offenbaren sich Hölderlin eben so zu einer verklärten Welt schöner Gestaltung, wie Grab und Nacht für Hardenberg die Geheimnisse des ewigen Lebens sind. Wie Hölderlin den Aether und das Licht anbetet und den Schooß des Aethers sucht, so sehnt sich

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Hardenberg hinunter in der Erde Schooß, weg aus des Lichtes Reichen," und diese Sehnsucht ist sein Gebet. Wie alle Gedichte Hölderlins Hymnen an den Aether und das Licht sind; so sind die meisten Darstellungen Hardenbergs Hymnen an den Schooß der Erde und an die Nacht, und wie es unverwandt jenen in den Aether zieht, um das All endlich zu umschließen, und es als ein lockendes Draußen sich zu assimiliren; so zieht es diesen unverwandt in das Grab (wie man in eine Erdgrube steigt, um am Tage Sterne zu beobachten), um des Tiefsinns der Nacht, der Herrlichkeit des Universums vollauf inne zu werden. Das Erfassen des Ewigen in der Zeit wird in Novalis lebendigste Anschauung, in Hölderlin, in seiner antiken Dichtung sogar plastische Gestalt, jener aber hat dennoch mehr den Zug in die Zukunft des Menschengeschlechts, dieser dagegen mehr den in die Vergangenheit des Griechenlebens. Wenn der Eine gern im Mittelalter weilt, und hier die Gestalt Ofterdingens zum Helden einer Apotheose der Poeste macht, so ist es wieder der Hellenismus des Alterthums, der Hölderlin an sich zieht, und in der Gestalt des Empedokles feiert er den Helden, der ihm eine pantheistische Ineinsbildung von Poesie und Philosophie vermittelt. Novalis besitzt ganz so sein Ein und Alles im Christenthum, wie es Hölderlin in der antiken Welt findet, was jenem die Mystik ist, das ist diesem der Pantheismus. Beide, Novalis und Hölderlin, sind Torsen der schönsten Art, Hölderlin der Fragmentist des Evangeliums vom Menschen, der ihm der Grieche ist, Novalis der Fragmentist eines poetischen Evangeliums vom Gottmenschen, der allein das Ge= heimniß der Welt zu offenbaren vermag.

Man könnte diese Parallele noch viel weiter fortführen, um die Entfernung zweier der seltensten Geister von einem gemeinsamen Ausgangspunkte zu veranschaulichen, aber wir wollen es dabei bewenden lassen, da wir in der ferneren Betrachtung Hölderlins wohl Gelegenheit haben werden, das Angedeutete der Uebereinstimmung und Unterscheidung an bestimmten Aeußerungen jener Schriftsteller selbst in ein noch helleres Licht zu sehen. Für die zunächst uns beschäftigende allgemeinere Charakteristik Hölderlins müssen wir aber noch, bevor wir auf das Specielle seiner Leistungen eingehen, die Eigenthümlichkeit seines Idealismus in näheren Betracht ziehen.

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