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Hölderlin wird aufsteigen am literarischen Himmel Deutschlands wie ein Stern, wenn Deutschland Dichter von seiner Großartigkeit der Begriffe und Einfachheit des Ausdrucks vertragen kann.

Karoline von Woltmann in einem Briefe.

Buchdruckerei der J. G Cotta'schen Buchhandlung in Stuttgart.

Es darf als eine besonders günstige Fügung angesehen. werden, daß gerade jezt eine Gesammtausgabe der Werke Hölderlins erscheint. Bei dem Einzelnen der vielen Schriftsteller, welche eine bestimmte Zeitperiode herbeiführen helfen, die dem Zeitgeiste schmeicheln, die ihn selbst hervorbringen, ist es weniger von Wichtigkeit, ob überhaupt und wann eine Sammlung seiner Schriften herauskommt. Denn ein solcher hat seiner Zeit bereits genugt oder geschadet, er hat sein Arom bereits aussprühen lassen, und es könnte eher als entbehrlich betrachtet werden, daß man auch noch die vertrocknete Eintagspflanze dem Herbarium der Zeitliteratur überweist. Aber ein ganz anderer Schriftsteller ist Friedrich Hölderlin. Er gehört zu denjenigen Autoren, die nie einer Zeit als solcher, auch nicht einmal der antiken ge= schmeichelt haben, am wenigsten, daß er sich je darauf hätte einlassen wollen, in den förmlichen Dienst eines bestimmten Zeitgeistes zu treten, nur diejenigen Gedanken zu verarbeiten, welche dieser ihm zugeführt, und welche demselben auch wieder zum Nuzen gereichen. Damit soll nun keineswegs denen ihr Verdienst abgesprochen werden, welche sich für den bloßen Nugen berufen fühlen, die ihre Zeit vielleicht um ein Bedeutendes vorwärts bringen. Es soll nur von vorn herein Hölderlin die Stellung zuerkannt werden, welche sein eigenster Beruf war, welche sein Genius ihm anwies, und wonach er sich gedrungen fühlte, eine Wirklichkeit der Welt zu verkündigen, an welche die Welt leicht den Glauben verliert, und welche auch der Gegenwart, die zunächst andere Aufgaben zu lösen hat, leicht zu sehr zurücktreten könnte. Und eben deßhalb halten wir dafür, daß das Erscheinen der Werke Hölderlins jezt von großer Bedeutung ist, weil er besonders stark die Gegenwart an dasjenige gemahnt, Jung, Hölderlin und seine Werke.

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dessen sie mehrfach entbehrt, und welches viele selbst der Begabteren jest häufig vernachlässigen. Welches ist aber die eigenthümliche Stellung, die Hölderlin einnimmt, und was ist es, das Hölderlin besißt, dessen die Heutigen nicht selten ermangeln?

Hölderlins eigenthümliche Stellung besteht in dem tragischen Geschick, dasjenige Land, welches ihm durch die Geburt als Heimath zugewiesen ist, nicht als seine eigent liche Heimath zu erkennen, und dasjenige Land, welches er als seine wahre Heimath erkennt, nicht mehr in der geschichtlichen Wirklichkeit vorzufinden. So schwankt er seinem irdischen Wesen nach zwischen Deutschland und Griechenland, zwischen Barbaren und Menschen, zwischen Gegen= wart und Vergangenheit, indem er in jener nicht zu bleiben weiß, und in diese doch nicht mehr gelangen kann. Aber als Dichter schwankt er nicht, sondern als Dichter findet er zumal wenn wir auf seine Stärke im Plastischen, weniger im Musikalischen achten seine Heimath und damit seine Stellung in der Wirklichkeit des griechischen Ideals, welches er aufs Neue durch seine Schöpfungen zu verwirklichen weiß. Und diese Verwirklichung des Ideals, diese Herausarbeitung der Schönheit ihrer selbst willen, nicht im Dienste der Zeit, nicht zum Nußen oder höchstens zur bloßen Unterhaltung des Zeitgeistes, diese Verwirklichung des Ideals ist es eben, welche die Modernen der lezten Zeit vielfach vernachlässigt haben, und welche ihnen in Hölderlin aufs Neue nahe gebracht wird.

Es kommt nun für die Aufgabe, welche wir uns vorgeseht haben, darauf an, die weitere Eigenthümlichkeit Hölderlins zuerst in einigen allgemeineren Umrissen zu entwerfen, sodann aber zuzusehen, wie sich dieses Allgemeinere auch im einzelnen seiner Werke abspiegelt, und endlich wie beide, Eigenthümlichkeit und Werke, in seinem Leben sich zusammenschließen und einander bedingen, bis auf das tragische Verhängniß, in welches die zweite größere Lebenshälfte des herrlichen Dichters ausläuft.

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